Step 7 - Lackieren der Karosserie
Die Lackierung der Karosserie ist mit das heikelste Thema bei der Restaurierung eines Oldtimers. Natürlich bietet ein KTL grundierter Wagen schon mit die besten Voraussetzungen für eine anschliessende Lackierung. In diesem Falle muss man sich entscheiden, ob man einen Lack auf 2K Acryl Basis benutzt oder einen modernen, lösemittelreduzierten Lack auf Wasserbasis. Dass die 2k Acryl-Lacke nicht VOC konform sind und in Deutschland verarbeitet werden dürfen ist falsch. Die Markenherstelle führen 2K-Acryl-Lacke die VOC-konform sind. Für Oldtimer gilt sowieso eine Ausnahmeregelung.
In beiden Fällen muss auch eine Vorbereitung der Lackierung erfolgen die sogar unabhängig vom verwendeten Endlack gleich ist.
Bei der Restauration des W111er Coupes werden Produkte von Standox (EP-Primer und Spachtel) und NEXA Autocolor (Deck- & Klarlack) verwendet. Standox hat in Zusammenarbeit mit dem Mercedes Benz Classic Center eine Broschüre und weitere Informationen zum lackieren klassischer Mercedes Benz Fahrzeuge zur Verfügung gestellt.
Die Broschüre kann hier runtergeladen werden, eine Standothek zu diesem Thema ist hier erhältlich. Die Standox Oldtimer Webseite kann hier aufgerufen werden.
Leider hat sich während den Restaurationsarbeiten rausgestellt, dass Standox kein Lackrezept für den Decklack DB542 Dunkelrot in Ihrer Mischbank hat. Daher wurde auf Lack von NEXA Autocolor für den Decklack verwendet. Die folgenden Produkte von NEXA wurden eingesetzt:
2K Acryl Einschicht Decklack für Innenraum, Unterboden, Kofferraum und Motorraum | |
2K Acryl Decklack - Direct Gloss | Nexa Autocolor P420 line (Datenblatt) |
2K Härter | Nexa Autocolor P210-842 |
2K Verdünnung | Nexa Autocolor P850-1492 |
2K Mattierer | Nexa Autocolor P565-554 |
Die Topfzeit mit normalem Härter beträgt ca. 6 Studen, mit dem Express-Härter P210-842 reduziert sich die Trockenzeit und die Topfzeit ca. um die Hälfte. Das Mischungsverhältnis mit dem Härter P210-842 beträgt 3:1, also 3 Volumenanteile Lack, 1 Volumenanteil Härter. Diese Mischung wird dann mit 10 % Prozent Verdünner P850-1492 verdünnt. Lackiert wird mit einer HVLP Pistole mit 2,2 Bar Eingangsdruck und 1,3 mm Düse. Es werden 2 Spritzgänge durchgeführt mit ca 5 Minuten Ablüftzeit.
Unterboden Kofferraum, Innenraum und Motorraum werden in Eigenregie mit 2K Acryl Lack Serie P420 hochglänzend im Einschichtverfahren lackiert. Einschichtverfahren bedeutet, dass der farbige 2K- Decklack im Glanzgrad hochglänzend ist, und nicht mehr mit einem Klarlack übergespritzt wird. Die Restliche Karosserie und deren Teile werden im 2 Schichtverfahren nass in nass vom Lackierer lackiert, dh. zuerst wird ein Decklack aufgespritzt und danach eine bzw. zwei Schichten Klarlack appliziert. Wenn man innerhalb der Fristen nass in nass lackiert kann der Zwischenschliff entfallen.
Die Fahrzeuge wurden damals im Glanzgrad hochglänzend auf der Karosserie lackiert, Kofferraum und Motorraum wurden eine Glanzgradstufe niedriger in "glänzend" lackiert. Zur Farbgebung bei den 2-Ton Lackierungen der W111 Coupes ist anzumerken, dass die Felgen immer in Dachfarbe Lackiert waren. Der Kofferraum ist immer schwarz lackiert, Ansonsten ist unter der Windschutzscheibe innen, an den oberen Lüftungsaustritten ein schwarzer Streifen lackiert.
Es gibt mehrere Normen von Industrie und Normierungsinstitutionen um die Glanzgrade einzuteilen. Die EU hat vor kurzem in der EN ISO 2813 die Glanzgrade in 3 Stufen eingeteilt. Es gibt nun "glänzend", mittlerer Glanz" und "matt". In der nationalen Deutschen Norm DIN 53778 werden die Glanzgrade noch in 5 Stufen unterteilt.
DIN 53778 | EN 13300 / EN 2813 |
hochglänzend | - |
glänzend | glänzend |
seidenglänzend | mittlerer Glanz |
seidenmatt | matt |
matt | stumpfmatt |
Kontrolle der KTL
Bevor mit dem Lackaufbau auf der KTL bekonnen wird muss diese sorgfältig auf Ihre Qualität untersucht werden. Zum einen wurde der KTL des 111er Coupes Einschlüsse aus Sand bzw. Staub auf den Kotflügeln entdeckt, die zuerst mit einem geeigneten Werkzeug entfernt werden mussten. An Stellen, wo sich Luftblasen im KTL-Bad gebildet haben, ist keine KTL aufgetragen worden und durch die Aktivierung während der KTL hat sich hier bereits Flugrost gebildet. Dieser sollte gründlich entfernt werden und gegen weiteres Rosten versiegelt werden. Hierzu kann eine Grundierung oder BOB Rostversiegeleung verwendet werden.
An einigen Stellen wurde auch eine punktuelle, tropfenartige Unterrrostung der KTL festgestellt, obwohl der Wagen kurz vor der KTL im EZZ in ein weiteres Entrostungsbad getaucht wurde. Ausserdem wurden von der KTL-Firma weitere Löcher in die bereits fertig gezinnte Karosserie gebohrt um bessere Durchflutung zu erreichen. Die Sinnhaftigkeit dieser Löcher ist jedoch in Frage zu stellen, da die nachfolgenden Schweiss und Versiegelungsarbeiten ein grösseres Korrosionsrisiko darstellen, als eventuelle kleine Fehlstellen in der KTL.
Reihenfolge des Lackaufbaus
Der Lackaufbau erfolgt in folgender Reihenfolge
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Untergrund vorbereiten
KTL leicht mit Vlies anschleifen, nicht durchschleifen, Grundierung mit Epoxy 2K Grundierfüller
Am Unterboden: Nahtabdichtung und U-Schutz auf MS-Polymere oder/und Kunststoff-Kautschukbasis auftragen und nach Produktanweisung mit 2K Acryllack in Wagenfarbe mit 10% Elastifizierer überlackieren. Auftrag einer Unterbodenschutzschicht auf Kunststoff-Kautschukbasis (kein Bitumen) mit der Spritzpistole.
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gröbere Spachtelarbeiten
Die göberen Unebenheiten werden mit Spachtel ausgeführt, Trockenschliff von P80 über P180 bis zu P500. Durchgeschliffene Stellen wieder mit EP Grundierfüller nachlackieren. Die Fehlstellen niemals mit 1K Grundieren nacharbeiten!
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Feinspachtel
Ausführen der Feinspachtelarbeiten mit Feinspachtel oder Spritzplastic, Trockenschliff mit P240 bis P500. Kontrollglätte mit P800, zum weiteren Lackieren wieder aufrauhen.
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Füllern
Füllern mit 2k Epoxy Grundierfüller, Trockenschliff P400 bis P500
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Decklackieren
Reinigen mit Silikonentferner. Lackieren mit 2K Acryllack. (Standox Standocryl (2K) VOC Autolack TOPCOAT Produktinfo - Technisches Merkblatt)
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Klarlack
Klarlackieren mit Klarlack
Zwischen Schritt 5 und 6 sollten keine 24 Stunden verstreichen, dann kann ohne Anschleifen "nass in nass" gearbeitet werden.
Anschleifen der KTL
Die KTL sollte von Hand mit einem "feinen" Vlies angeschliffen, bzw. angerauht werden. Wichtig dabei ist, dass die KTL nicht durchgeschliffen wird. Das Anschleifen dient zur besseren Haftung des EP-Primers auf der KTL-Schicht. Mit 320er bzw. 400er Sandpapier kann zusätzlich vorsichtig aufgerauht werden. Die Oberfläche sollte mit der Hand kontrolliert werden, es sollten keine Pickel oder Erhebungen mehr vorhanden sein und die KTL sollte eine einheitliche rauhe Oberfläche haben.
Nahtabdichtung nach der KTL
Nachdem die Karosse chemisch entlackt und entrostet wurde, sind alle Aufträge von Unterbodenschutz und Dichtmasse restlos entfernt worden. Die KTL bietet jetzt eine gute Grundlage für den weiteren Lackaufbau. Allerdings müssen die Blechfalze, Überlappungen und Nähte unbedingt wieder mit Karosseriedichtmasse abgedichtet werden. Ausserdem sollte der Auftrag eines Unterbodenschutzes wieder erfolgen. Dadurch verschinden evtl. Schweissnähte wieder, die durch die Ausbesserungsarbeiten entstanden sind und der originale Look des Unterbodens wird wieder hergestellt.
Es gibt mehrere Produkte die dieser Aufgabe gerecht werden. Verwendet wurden letztendlich Karosseriedichtmassen auf MS Polymere-Basis und auf Kautschuk-Kunststoffbasis sowie Unterbodenschutz ebenfalls auf Kautschuk-Kunststoff-Basis.
Bei der Verwendung von Dichtmassen auf MS Polymere-Basis ist unbedingt zu beachten, dass diese nur im NASS-in-NASS Zustand mit allen gängigen Lacksystemen überlackiert werden können. Dies ist ein grosser Nachteil, da der Lackaufbau nicht unbedingt zeitnah zur Abdichtung erfolgen muss. MS-Polymere haben den grossen Vorteil gegenüber den Kautschuk-Kunststoff Materialien, dass sie relativ schwundfrei trocknen. Dichtmassen auf Kunstoff-Kautschuk-Basis haben einen grossen Lösungsmittelanteil und unterliegen bei der Trocknung einem relativ grossen Schwund. Grössere Unebenheiten können aber problemlos mit MS-Polymere niviliert werden und anschliessend mit Kunststoff-Kautschuk überdeckt werden.
Auftragen von Unterbodenschutz
Nachdem im vorherigen Schritt die Schweissnähte mit Dichtmasse abgedichtet wurden, wird nun ein Unterbodenschutz auf Kunststoff-Kautschuk Basis mit der Unterboden Spritzpistole aufgetragen. Materialien auf Bitumenbasis sollten nicht verwendet werden, diese sind nicht ausreichend alterungsstabil. Die Firma APP bietet mit dem UBS 210 einen relativ zähen Unterbodenschutz an, der einen hohen Festkörperanteil hat und sich gut für die Falze und den Ausgleich der grösseren Unebenheiten eignet. Darauf kann APP UBS 200 angewendet werden, dies ist dünnflüssiger und gibt eine glattere Oberfläche. generell sollten die UBS mit einem Druck zwischen 3 und 6 Bar verarbeitet werden.
Spachtelarbeiten und Lackiervorbereitungen
Trotz sorgfältiger Blech- und Zinnarbeiten muss die EP-grundierte Karosserie an einigen Stellen gespachtelt werden. Nachdem der EP-Füller aufgetragen und vollständig getrocknet ist, wird dieser mit P180 bis P400 angeschliffen. Dadurch werden Sprühnebel entfernt und die "Oragenhaut" des Füllers geglättet. Durch dieses Glattschleifen lassen sich Dellen und Unebenheiten wesentlich besser ausmachen und ertasten.
Der Schleifstaub wird mit Druckluft und Fusseltuch entfernt und die Fläche mit Silikonentferner entfettent. Jetzt kann die Spachtelmasse aufgezogen werden. Verwendet wird Standox Soft-Spachtel. Diese ist vorher mit 2-3% Härterpaste (blau für längere Topfzeit) anzumischen und kann dann innerhalb von 3-5 Minuten mit einer Japan- oder Kunststoffspachtel aufgezogen werden. Vorher sollte man sich die Vertiefungen mit einem Bleistift zart markieren. Die Spachtel sollte dünn (max. 1 mm) aufgetragen werden. Dellen sollten in der Fläche grosszügig überdeckt werden. Die Kunst des Spachtelns besteht nicht im Auftragen, sondern im gleichmässigen und glatten Abschleifen der Spachtelmasse.

Spachtelauftrag immer so dünn und wenig wie möglich: Hier sieht man die KTL, den EP-Füller, die Grob- und die Feinspachtel.
Das Abschleifen erfolgt im ersten Schritt maschinell mit einem Excenterschleifer oder je nach Karosserieform auch manuell mit P180 bzw. feiner, wenn die Arbeiten filigraner werden. Danach kann mit Papieren bis zu P500 weiter geglättet werden. Sobald die KTL bzw. das Blech an einer Stelle durchschimmert muss das Schleifen eingestellt werden, da sich ansonsten Höcker bildern, bzw. die KTL zerstört wird. Bis auf das Blech durchgeschliffene Stellen müssen zeitnah mit 2K EP Füller lackiert werden. Hier darf auf keinen Fall aus Zeitgründen mit 1K Grundierungen gearbeitet werden. Diese vertragen sich meist auf Dauer nicht mit der Polyesterspachtel.
Zeitintensive Feinstarbeit: Glätten der Karosserieoberfläche
Nach den Spachtelarbeiten erfolgt der letzte Durchgang zur Glättung der Karosse. Dazu wird die gefüllerte Oberfläche zuerst mit P400, dann P800 komplett angeschliffen. Durch die P800 Körnung liegt jetzt ein Glanz auf dem Füller. Es darf nirgends mehr Orangenhaut des Füllers vorhanden sein. Dies kann man mit einem guten Auge bzw. mit Kontrollschwarz erreichen.
Jetzt wird die gefüllerte und mit P800 glanzgeschliffene Blechoberfläche kontrolliert. Dazu muss die Karosse optisch vollständig und aus mehreren, sich stetig ändernden Betrachtungswinkeln "abgescannt werden". Man muss die Lichtbrechungslinien während der Änderung des Betrachtungswinkels genau beobachten und schauen wo der "Horizont" evtl. noch Wellen schlägt. An diesen Stellen liegen dann Unebenheiten vor. Hat man eine Stelle ausgemacht, folgt die Prüfung mit der Hand. Oft sind dann auch bei Vertiefungen noch kreisförmige Stellen vorhanden, an denen der Füller noch Orangenhaut hat. Jetzt muss entschieden werden, ob die Unebenheit durch grossflächigen Abschliff des Füllers ausgeglichen werden kann, oder ob ggf. noch ganz dünn mit Feinspachtel oder Spritzspachtel aufgetragen werden muss. Danach erfolgt wieder der Glanzschliff mit P800 und die optische Kontrolle der "Horizontlinie" Wenn alle Arbeiten sauber erledigt wurden, muss ein glattes unverzerrtes Spiegelbild auf dem Füller sichtbar sein, alle Konturlinien müssen sauber, ohne Verzerrungen über die Oberfläche laufen, sobald man den Betrachtungswinkel verändert. All dies erfordert etwas Übung, ein gutes Auge und die passenden Lichtverhältnisse bzw. Betrachtungswinkel.
Diese Vorarbeiten machen eine Fahrzeuglackierung generell teuer. Und genau hier liegt auch der Unterschied in den verschiedenen Qualitäten einer Oldtimerlackierung. Beim W111er Coupe besonders wegen der grossen Oberfläche die der Wagen im Vergleich zum Fiat 500 hat und durch die Aufwulstungen entlang der Karosserieseite sowie die vielen runden und geschwungenen Karosserielinien. Das eigentliche Lackieren ist dann eher weniger zeitaufwendig.
Auftragen des Decklacks
Jetzt kommt Farbe ins Spiel. Zuerst werden die Felgen in einer Pilotlackierung mit dem DB542 dunkelrot von Nexa Autocolor lackiert. Der Lack lässt sich hervorragend verarbeiten, das Deckvermögen ist sehr gut. Gemischt wird 3:1 mit einem kurzen Härter von Nexa und gut 10% Verdünnung. Das erste Ergebins nach Antrocknung ist perfekt, der Farbton hat je nach Lichteinfall interessante Nuancen. In der Kombination mit dem DB040 schwarz eine gelungene Farbwahl.
Durch die Vorarbeiten in Eigenregie an der Karosserie konnten die Durchlaufzeit und die Kosten beim Lackierer gering gehalten werden. Die Karosse wurde in der Lackiererei im 2-Ton Farbschema lackiert. Das Dach ist in DB040 Schwarz und die restliche Karosse in DB542 Dunkelrot lackiert worden. Dies war eine originale 2-Ton-Kombination, die man damals ab Werk bestellen konnte.
Die Karosse wurde im 2-Schicht-System lackiert, also ein farbiger Decklack, überzogen Nass-in-Nass mit einem hochglänzenden Klarlack. Das Ergebnis is zufriedenstellend, die aufwendigen Vorarbeiten haben sich gelohnt. Spiegelglatter Hochglanz wo man hinschaut. Die Talsohle ist durchschritten, jetzt geht der Zusammenbau weiter.
Generell kann man durch Eigenarbeit bei der Lackierung Geld sparen. Allerdings macht es nur Sinn, bei den Vorarbeiten selbst Hand anzulegen. Das Aufbringen des Decklacks ohne Lackierkabine in der eigenen Garage macht keinen Sinn. Hier ist ohne eine professionelle Kabine kein makelloses Lackierbild erzielbar.
Bei den Vorarbeiten muss auch immer gewissenhaft gearbeitet werden, die Wahl der richtigen Materialien ist essentiell, das konsequente Verarbeiten von 2K-Materialien ist ein Muss.
Eine saubere und makellose Lackierung ist die Voraussetzung für eine professionelle Restauration.